Ein Vortrag von François Jullien zur Finissage der Ausstellung

10 Jan 2010 | von Elena Heitsch |

Finissage zur Ausstellung “Ai Weiwei. So Sorry”
François Jullien
Vortrag
La fadeur est-elle épuisée? / Ist das Fade erschöpft?
Sonntag, 17. Januar 2010, 17 Uhr
Haus der Kunst

Manche Werke von Ai Weiwei drücken Ironie dadurch aus, dass sie als eine flache und fade Abbildung der Realität wahrgenommen werden – in der Ausstellung im Haus der Kunst z.B. der 400 qm große Teppich “Soft Ground”. Der französische Philosoph und Sinologe François Jullien weist darauf hin, dass in der chinesischen Ästhetik Flachheit und Fadheit höher als jede andere Anregung geschätzt worden sind, weil sie dem Möglichen freien Lauf lassen: Fadheit bedeutet innere Loslösung, und wer diese Loslösung erreicht, hat die Beschränkung durch Vorlieben überwunden und ist nicht länger an einen bestimmten Geschmack gefesselt. Der Sinn schließt sich nicht mehr, sondern bleibt offen und verfügbar. Der Weise strebt danach, bei allen Gelegenheiten die Position der Mitte einzuhalten, die es allein erlaubt, “auf die Gesamtheit der Situation zu reagieren, sowohl das Übermaß wie den Mangel zu vermeiden und das Vermögen, etwas ‘sich ereignen zu lassen’ in seiner Gesamtheit zu fördern.” In “Über das Fade – eine Eloge. Denken und Ästhetik in China” (Merve Vlg. 1999) zeichnet François Jullien den Weg nach, wie auch in der chinesischen Poesie und Malerei die Fadheit allmählich zum Ideal der Vollkommenheit wurde.
Diese Gedanken bieten sich als Lesart für das künstlerische Schaffen von Ai Weiwei an. Ai Weiwei nutzt das gesamte Spektrum möglicher Formate, von filigran bis monumental, und gibt unter der Vielzahl der von ihm verwendeten Materialien und Medien scheinbar keinem den Vorzug.

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François Jullien leitet das Institut de la Pensée Contemporaine, Paris (Université Paris-Diderot). 2006 erschien im Merve Vlg. sein “Vortrag vor Managern über Wirksamkeit und Effizienz in China und im Westen”. Im Vorfeld der Olympischen Spiele in Peking gab er der Süddeutschen Zeitung ein ausführliches Interview über chinesische Strategie (“Der Feind ist ausgeruht? Mach ihn müde!”, 17./18.8.2008). In seiner Arbeit vergleicht Jullien chinesisches Denken mit der europäischen Philosophie, um wechselseitige Anregungen zu generieren.

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  1. 2 Antworten auf “Ein Vortrag von François Jullien zur Finissage der Ausstellung”

  2. von renate groß 14 Jan 2010 | Antworten

    Man kann über China ja denken, was man will und auch über Kunst. Aber interessant finde ich schon, daß der Teppich im großen Raum von der staatlichen chinesischen Weberei hergestellt wurde.
    Ansonsten: spannendes eintauchen in eine neue (Gedanken)Welt.
    Renate Groß

  1. 1 Trackback(s)

  2. 17 Jan 2010: Ai Weiwei Blog » Blog Archive » finissage

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