Prototype of The Wave
Prototype of The Wave, 2004, Porzellan, 12 x 32,5 x 23cm
In einer kleinen Vitrine vor der monumentalen Installation von Template findet sich eine fast unscheinbare Porzellanskulptur mit dem Titel Prototype of The Wave.
Prototype of The Wave
Prototype of The Wave ist eine kleine, sich auftürmende Porzellanfigur in Form einer kräftigen, graugrünen, krallenartigen Welle. Die Skulptur ist aus feinstem südchinesischen Porzellan gefertigt. Stilisiert besteht das Werk aus einer geraden, fast quadratischen Basis, die sich in fünf sich übereinander türmenden Wellen aufwölbt. Das Element Wasser wird zusätzlich durch die feine dunkelblaue Bemalung verstärkt, die die Welle einleitet. Die weiße, gerade Basis der Skulptur wurde mit kleineren maritimen Ornamenten verziert. Darunter kann man eine sehr feine ornamentale Zeichnung erkennen, die stilisierte Wellenbögen darstellt.
Aus dieser spiegelglatten See heraus formieren sich, angedeutet durch die blauen Schattierungen, kleine schuppenförmige Kräuselwellen, die sich erst auftürmen, um dann zu einem ausgeprägten hohen Wellenberg mit sich überbrechenden Wellenkämmen zu werden.
Prototype of The Wave erzeugt automatisch Erinnerungen an die alte chinesische Maltradition, der Tuschezeichnung, sowie an die Technik japanischer Holschnitte. Für chinesische Holzschnitte und auch Tuschebilder ist ganz charakteristisch, dass Wasser meist als Wellen oder Reihen von Viertel- , Halb- oder Dreiviertelkreisen dargestellt werden. Diese Kreissegmente finden sich in einer feinen Unterzeichnung an dem hier ausgestellten Objekt.
Die Porzellanwelle erinnert an die weltbekannte Welle des Japaners Katasushika Hokusai (1760-1849) mit dem Titel Die große Welle vor Kanagawa (1820). Schon Gauguin und Van Gogh wurden von dessen dekorativem Dekor und scharf definierten Farbflächen inspiriert.
2005 fertigte Ai Weiwei zu diesem hier ausgestellten Muster das Werk The Wave aus Seladon, einer chinesichen Fertigungstechnik für Steinzeug, die vor allem während des 9. bis 15. Jahrhunderts verbreitet war. Durch das Hinzufügen von Feldspat während des Glasierens erlangt Seladon eine herrliche, fast Jade ähnliche Farbe oder einen cremig gelblichen Ton.
Warum aber das Motiv der Welle?
Im Chinesischen setzt sich der Begriff der Landschaft aus den beiden Schriftzeichen für Berg und Wasser zusammen. Die Landschaft gilt als eine der bevorzugten Topoi der Malerei. Wasser passt sich den Formen an und formt doch auch aus eigener Kraft die Erde.
Das Bild des Wassers durchzieht das Denken des alten Chinas, befruchtet und verbindet es zugleich. Ist doch die Vorstellung des fließenden Wassers nach Laotse das Erfolgsrezept des gelungenen Lebens. Es ist flüssig und kann sich daher jeder Form anpassen, es ist weich und gleichzeitig so stark, dass es den härtesten Stein auf Dauer aushöhlt. Es ist lebensnotwendig und rein, aber auch lebensbedrohlich.
Das Wasser ist eines der fünf Elemente, die zusammen ein Ganzes bilden:
„In der Natur des Wassers ist es, zu befeuchten und nach unten zu fließen;
in der des Feuers, zu lodern und nach oben zu schlagen;
in der des Holzes, gebogen und gerade gerichtet zu werden;
in der des Metalls, gehorsam zu sein und geformt zu werden;
in der der Erde, bestellt und abgeerntet zu werden”
(aus der Abhandlung Hung-fan, Teil des „Buches der Urkunden”).
Für Laotse ist Wasser ein Vorbild des richtigen Verhaltens, durch das der Schwache den Starken bezwingen kann, wie zum Beispiel die Frau den Mann.
In allen Kulturen ist die Welle ein Symbol für Freundschaft, Sympathie, Zuneigung, sowie ein anschauliches Symbol für Leben. Die Physiker sehen in der Welle sogar das Grundprinzip des Kosmos.
Schall, Licht, Energie – alles ist Welle.
Tags: art, Kunstvermittlung, Porzellan, Prototype for The Wave
2 Antworten auf “Prototype of The Wave”
von joom 17 Nov 2009 | Antworten
diese interpretation zur welle ist ja ganz wunderbar und hokusais grafik naheliegend. ich denke bei dieser welle aber auch an eine europäische tradition des aufbegehrens, wie sie sich z.b. in der bildenden kunst bei courbets berühmten bildern wiederfindet.
wie man die weisheiten laotses in bezug auf mann und frau im jahre 2009 so ungebrochen weitergeben kann, ist mir allerdings fraglich.
von Eberhard M. 20 Nov 2009 | Antworten
Schön wäre es von Ai, den Namen des Meisters der Keramik, der dieses zauberhafte Werk geschaffen hat, zu nennen. Das würde der von ihm geforderten Individualisierung in China sehr zu gute kommen. Bis jetzt bewegt sich Ai im traditionellen chinesischen feudalen System, also noch vor Mao.
Der feudale Herrscher, der seine Untertanen für sich arbeiten läßt, aber unter seinem Namen veröffentlicht und die Lorbeeren einheimst.
Eberhard M.